– Ein Gastbeitrag von Gerhard Joos, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Mittleres Enztal e.V. –
Das Ziel des geplanten Vorhabens, nämlich den Verkehrsengpass in der Ortsdurchfahrt von Enzweihingen zu beseitigen, ist wichtig und richtig. Seit Jahren werden Ideen diskutiert und geplant. Für die Enzweihinger brauchen wir eine gute Lösung. Nach Experten-Meinung aus verschiedenen Fachbereichen ist die derzeit geplante B 10-Umfahrung die falsche. Denn diese läge in der Enz-Aue, über zirka 1 km Länge in einem mehrfach geschützten Gebiet, zwischen den Ortslagen Vaihingen und Enzweihingen. Ein natürlicher Flusslauf mit seinen angrenzenden Auen ist immer ein erhaltenswertes Juwel und ist einmalig. Die Enz hat dort ihren natürlichen Verlauf und kann nicht einfach verlegt und mit nichts ausgeglichen werden.
Großer Eingriff in Natur und Landschaft
Die jungen Menschen gehen heutzutage auf die Straße, jeden Freitag. Sie demonstrieren für mehr Klimaschutz und sorgsameren Umgang mit unserer Erde. Die vom Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) vorgelegte B 10-Umfahrungsplanung ist genau das Gegenteil, weil sie einen großen Eingriff in Natur, Landschaft, Umwelt und einen Erholungsraum bedeutet. Dies gilt nicht nur für den Bereich der Enzaue, sondern auch für die Bereiche der überdimensional gestalteten planfreien Knotenpunkte im Osten (Oberriexinger Ei) und im Westen (Vaihinger Brezel). Eine Realisierung der Umfahrung durch die Enzaue verursacht schwerwiegende Eingriffe u.a. in die Grünzäsur des Regionalplanes, das Landschaftsschutzgebiet, das Hochwassergebiet, das Wasserschutzgebiet, die Naturdenkmale, die Einzel- und Flächenbiotope, die Habitate sowie das streng geschützte FFH-Gebiet*.
Wir können und sollten auf keinen Fall die Stimme der Jugend ignorieren. Die Demonstrationen in den Städten gehen auch unsere Kommune etwas an. Wir müssen behutsam mit der Natur umgehen und Lösungen finden, die umweltschonend sind und für die nächsten Generationen passen.
Für FFH-Gebiete gilt zwingend: Gibt es im Rahmen der Alternativprüfung eine zumutbare Variante, die denselben Zweck erfüllt und mit weniger Eingriffen verbunden ist, ist diese nicht abwägbar. Das bedeutet, selbst bei höheren Baukosten, längeren Bauzeiten, technischem Mehraufwand, sogar Abstrichen am Zielerfüllungsgrad, darf eine solche Variante nicht verworfen werden, solange sie machbar und nicht utopisch ist.
Zur Umfahrung in Enzweihingen gibt es eine Alternative!
Ob kurzer Tunnel oder langer Tunnel, alle Tunnelvarianten unter der bestehenden B 10-Trasse erfüllen das „Ziel“ des Vorhabens, nämlich den Fern- und Durchgangsverkehr ohne Engpass von A nach B durch Enzweihingen zu bringen. Auffällig sind viele fehlerhafte Betrachtungen und grundlegende Verstöße, so z.B. bei der Kostenentwicklung. Einen reellen Kostenvergleich gibt es nicht. Kostenschätzungen sind weder belegt, noch dokumentiert. Soweit sich das RPS in der Vergangenheit für den Tunnel ausgesprochen hatte, musste dieser nicht ins Grundwasser gebaut werden. Heute wird ein Tunnelbau massiv teurer beziffert, begründet u.a. durch das Tieferlegen ins Grundwasser. Die grundwasserführenden Schichten liegen aber wesentlich tiefer, als ein Tunnelbauwerk in seinem Gesamtaufbau an Höhe hat.
Das letzte und neueste Verkehrsgutachten (2011) kommt zu dem Schluss, dass rein verkehrstechnisch gesehen die Umfahrung und eine Tunnellösung die gleiche Wertigkeit haben. Auch eine plangleich ausgeführte, versetzte Kreuzung am Vaihinger Eck wäre nach diesem Gutachten voll ausreichend. Diese Planung war auch 2013 Gegenstand der Enzweihinger Befragung. Monumentale, autobahnähnliche, planfreie Knotenpunkt-Bauwerke sind nicht notwendig und werden von der Bevölkerung nicht akzeptiert. So lautet jedenfalls der Stadtratsbeschluss vom 27. September 2017, der dem RPS als Stellungnahme zugegangen ist.
Vernünftige Politik ist ein Muss
Nach objektiver Prüfung der vorgelegten Planfeststellungsunterlagen durch Fachingenieure, Biologen und qualifizierte Juristen ist eine Planfeststellung, will heißen die Genehmigung der angestrebten Umfahrungsvariante, unzulässig. Eine Klage dagegen hat berechtigte Erfolgschancen. Darüber sind sich die großen Naturschutzverbände und die Schutzgemeinschaft Mittleres Enztal einig. Nur eine vernünftige Politik kann hier noch Abhilfe schaffen.
Haben Sie weitere Fragen? Kontaktieren Sie uns über die Emailadresse: info@www2.bb-vaihingen.de
*FFH-Gebiete sind spezielle europäische Natur- und Landschaftsschutzgebiete, die dem Schutz von Pflanzen (Flora), Tieren (Fauna) und Lebensräumen (Habitaten) dienen.