Im Jahr 1961 waren nur 10 % der Einwohner:innen von Vaihingen über 65 Jahre alt und 39 % älter als 40 Jahre. In den letzten 60 Jahren haben sich diese Verhältnisse deutlich verändert. So nennt das Statistische Landesamt für das Jahr 2022 folgende Zahlen: Mehr als 20 % der Bevölkerung von Vaihingen sind älter als 65 Jahre, 57 % älter als 40 Jahre. Und es ist anzunehmen, dass sich dieser Trend in Vaihingen weiter fortsetzt; es wird geschätzt, dass im Jahr 2040 mehr als ein Drittel der Vaihinger:innen über 60 Jahre alt sein wird.

Dieser demographische Wandel führt u.a. dazu, dass immer mehr ältere Personen allein oder zu zweit in ihren Wohnungen leben. Gerade im hohen Alter nimmt der Anteil der allein lebenden Menschen zu. Das ist sicher einerseits dem Wunsch nach individuellem und selbstbestimmtem Leben geschuldet, führt gleichzeitig aber häufig zu einer Vereinsamung dieser Bevölkerungsgruppe und zur Entsolidarisierung innerhalb der Gesellschaft.

Während in früheren Zeiten die älteren Menschen in der Großfamilie mitversorgt wurden und dort auch ihre Aufgaben innerhalb der Familienstruktur hatten, wohnen viele ältere Personen heute in Häusern, die ihren ursprünglichen Zweck als Familienunterkünfte nicht mehr erfüllen. Sie sind häufig auf die Unterstützung durch Hilfsdienste angewiesen, gleichzeitig aber zunehmend von der Teilhabe an der Gesellschaft abgeschnitten. Auf der anderen Seite haben immer mehr junge Familien Schwierigkeiten, ausreichende Betreuungsangebote für ihre Kinder zu finden.

Einen Ausweg aus dieser Situation bieten Wohnformen, bei denen einerseits die Begegnung und das Zusammenleben zwischen den Generationen gefördert wird, andererseits aber auch ausreichend Möglichkeiten für individuelle Bedürfnisse und Eigenständigkeit gegeben sind. Diese Generationen übergreifenden Wohnformen sind dadurch charakterisiert, dass sie neben dem privat genutzten Wohnbereich auch Gemeinschaftseinrichtungen wie z. B. gemeinsam genutzte Esszimmer, Spielzimmer, Werkräume, Gemeinschaftsküchen oder Gärten besitzen, die Möglichkeiten für vielfältige soziale Kontakte bieten. Sie sind damit Begegnungsstätten, in denen das Miteinander der Generationen aktiv gelebt werden kann. So können sich die dort lebenden Menschen im Alltag gegenseitig unterstützen und Aufgaben wie die Kinderbetreuung oder die Pflege älterer Mitbewohner:innen übernehmen.

Nicht nur das Zusammenleben der Generationen kann durch solche Strukturen verbessert werden; sie können ebenso für die Inklusion von behinderten Menschen und für die Integration von eingewanderten Personen in die Gesellschaft eingesetzt werden. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Hoffnungshäuser, die in den letzten Jahren in vielen Städten in Baden-Württemberg entstanden sind. Dort wohnen geflüchtete Familien und einheimische Familien unter einem Dach in ihren eigenen Wohnungen zusammen, wobei das Zusammenleben und die Integration durch gemeinschaftlich genutzte Räume und ebenfalls vor Ort wohnende Sozialarbeiter:innen unterstützt wird.

Der Wunsch nach Generationen übergreifenden Wohnformen ist auch in den Leitbildprozess der Stadt Vaihingen eingeflossen. Sie sind dort im Handlungsfeld 1 „Siedlungsstruktur und Wohnen“ unter Punkt 3 „Wir schaffen bezahlbaren Wohnraum und etablieren neue Wohnformen für eine vielfältige Stadtgesellschaft“ angeführt. Konkret wird im Leitbild das Häcker-Areal genannt, in dem solche Wohnformen verwirklicht werden sollten. Auch für den Bereich der Leimengrube gab es Überlegungen in diese Richtung, die bisher aber nicht weiter konkretisiert worden sind.

Die BbV sieht es als ihre Aufgabe an, solche Wohnformen bei der Entwicklung neuer Baugebiete, aber auch bei Umbauten im Bestand zu unterstützen. Dabei ergeben sich auch in den Teilorten von Vaihingen z. B. bei der Umnutzung von ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäuden interessante Möglichkeiten für gemeinsame Wohnprojekte.

Neben der Stadt Vaihingen könnten hier auch Bürgergenossenschaften aktiv werden. Dazu müssen die Bebauungspläne aber so gestaltet werden, dass solche Akteur:innen auch zum Zug kommen können und die Entwicklung neuer Quartiere nicht gewinnorientierten Investoren, sondern dem Gemeinwohl verpflichteten Organisationen überlassen wird. In diesem Zusammenhang tritt die BbV auch dafür ein, dass die Stadt im sensiblen Bereich der Kernstadt ein Vorkaufsrecht beim Verkauf von Immobilien durchsetzt, um dort dann leichter alternative Wohnformen etablieren zu können.

Dr. Bernhard Link