BbV – Haushaltsrede 2022
– es gilt das gesprochene Wort –
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Maisch,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Reitze,
sehr geehrter Herr Kern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
werte Ratskolleginnen und Ratskollegen,
bevor ich mit meiner Haushaltsrede beginne, möchte ich anmerken, dass unsere Probleme, im Vergleich zu den Problemen die die Menschen in der Ukraine derzeit haben, eher gering sind. Dennoch müssen wir auch unsere schwierige Haushaltssituation, die sich durch den Krieg sicher weiter verschlechtern wird, kritisch betrachten.
Der rote Einband des diesjährigen Haushaltsplanes signalisiert uns VORSICHT! Und tatsächlich ist Vorsicht auf allen Ebenen geboten. Nicht nur auf der monetären, sondern Vorsicht im Umgang mit Ressourcen jeglicher Art. Ein „Weiter so“ oder ein „Des hemma scho immer so gmacht“ darf es nicht mehr geben. Wir dürfen nicht mit 180 Sachen auf einen Abgrund zufahren. Nein, wir müssen unseren Verstand einsetzen und die Richtung ändern.
Lieber Herr Kern, vielen Dank für den soliden Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2022. Wer dieses Zahlenwerk allerdings intensiver betrachtet, stellt schnell fest, dass es so nicht weitergehen kann. Dazu nur ein paar Zahlen: Unsere Liquiditätsreserven schrumpfen bis 2026 von 30 Millionen Euro auf rund 3 Millionen Euro, während der Schuldenstand gleichzeitig auf ca. 40 Millionen Euro ansteigt. Wie Sie richtig feststellen, Herr Kern, ist ein Großteil der Einnahmen und Ausgaben fremdbestimmt, zum Beispiel die Einkommensteuerzuweisung oder die Kreisumlage. Auf beides haben wir keinen Einfluss. Dennoch vermisse ich im diesjährigen Haushaltsplanentwurf die Kreativität, mit dieser vorhersehbaren Situation umzugehen. Insbesondere im Hinblick auf kommende Generationen stehen wir in der Pflicht.
Wie bereits gesagt, die mittelfristige Finanzplanung stellt uns vor große Herausforderungen und wie im Haushaltsplanentwurf richtig festgestellt, muss es das finanzwirtschaftliche Ziel sein, die derzeit klaffende Lücke zwischen Aufwendungen und Erträgen zu schließen. Diese Notwendigkeit ergibt sich nicht nur aus finanzwirtschaftlichen Erwägungen, sondern vor allem aus Gründen der Generationengerechtigkeit.
Exemplarisch möchte ich hier auf die, aus unserer Sicht, sechs wichtigsten Punkte eingehen:
1. Kinder, Jugend, Bildung und Senioren
2. Klima und Verkehr
3. bezahlbarer, klimaneutral geschaffener Wohnraum
4. Wirtschaft und Perspektiven
5. Gartenschau und städtebauliche Entwicklung – Ein Blick in die Zukunft
6. Transparenz und Öffentlichkeit
Zu Punkt eins: Kinder, Jugend, Bildung und Senioren
An dieser Stelle möchte ich die Verwaltung und den Gemeinderat loben. Was die Stadt Vaihingen schon immer ausgezeichnet hat, ist die Tatsache, dass die Stadt den Bereich Kinder, Schulen und Bildung auch in finanziell schwierigen Zeiten niemals vernachlässigt hat. Einige positive Beispiele aus jüngster Zeit sind zum einen der Erwerb und Ausbau des Gebäudes Schlossbergstrasse 26 zu einem Kinder-und Jugendzentrum. Damit holen wir endlich die Kinder und Jugendlichen aus dem „Abseits“ ins Zentrum von Vaihingen. Und zum anderen die Einrichtung einer weiteren Kindertagesstätte in einem bereits bestehenden Gebäude in Enzweihingen. Dies spart wertvolle Ressourcen, auch Geld. Sehr zu begrüßen ist auch die Tatsache, dass die Stadt die Planung eines Naturkindergartens in den Köpfwiesengärten weiter verfolgt. Denn wie wir alle wissen, führt dies dazu, dass unsere Kinder die Natur und den Respekt vor ihr spielerisch erfahren und erlernen. Generell ist zu überlegen, ob man zukünftig besser der Einrichtung von Natur-und Waldkindergärten den Vorrang vor mit viel Geld errichteten neuen Gebäuden geben soll.
Unsere alten Menschen versorgen wir in Vaihingen ganz klassisch in Altersheimen, mit privaten Pflegediensten und mit unserer sehr gut organisierten Sozialstation, für die wir sehr dankbar sind. Dennoch müssen wir uns, schon allein aus demografischen Gründen, Gedanken über Alternativen machen. Auch hier sind neue Ideen, um zum Beispiel alternative Wohn-und Lebensformen anzugehen, gefragt.
Zu Punkt zwei: Klima und Verkehr
Selbstverständlich begrüßen wir das geplante Nahwärmenetz im Bereich „Leimengrube“ und Umgebung. Ein Schritt in die richtige Richtung, hin zu klimaneutraler Energieversorgung, leider mit Gas, einem nicht zukunftsfähigen Energieträger. Auch hier könnten die Ansätze schon deutlich fortschrittlicher sein, zum Beispiel mittels Geothermie, dies gälte es zu prüfen. Im Bereich der regenerativen Energieerzeugung müssen wir über Freiflächen für Photovoltaikanlagen – Stichwort: Agro-PV , sowie über Standorte für Windenergie nachdenken.
Um Energie einzusparen müssen wir auch den öffentlichen Nah-und Fernverkehr mehr fördern. Die Gemeinde Vaihingen bemüht sich zwar, den Vaihinger Bahnhof durch den Bau von Parkmöglichkeiten für Pendler attraktiv zu machen, andererseits aber stuft die Bundesbahn unseren, mit viel Enthusiasmus gebauten Bahnhof, immer mehr zu einem Provinzbahnhof herunter. Beispielhaft dafür stehen die Einstellung des persönlichen Servicecenters und die Schließung des beheizten Wartebereichs. Zu allem Überdruss werden auch zunehmend wichtige Zugverbindungen gestrichen. Dies sind Aufgabenfelder, in denen eine Verwaltung aktiv werden muss. Schließlich geht es hier um elementare Standortvorteile durch gute Zugverbindungen als wichtiger Beitrag zur Verkehrswende.
Ein weiterer wunder Punkt ist der Ausbau der B10. Von Bund und Land wird zwar eine Verkehrswende propagiert, die vor allem in Hinblick auf den Klimawandel unumgänglich ist. Aber trotzdem wird der weitere Ausbau der B10 geplant und vorangetrieben und gleichzeitig der öffentliche Personennahverkehr vernachlässigt. Das ergibt keinen Sinn.
Die Erweiterung des Radweges auf der ehemaligen WEG-Trasse ist wiederum ein positives Beispiel, allerdings müssen wir in der Zukunft darauf aus sein, das Radwegenetz so auszubauen, dass alle Teilorte vernünftig angebunden sind und Radfahrer gefahrlos von A nach B kommen.
Zu Punkt drei: bezahlbarer, klimaneutral geschaffener Wohnraum
Vielleicht hätten wir ja genügend Wohnraum, wenn er anders aufgeteilt wäre, das wage ich nicht abschließend zu beurteilen. Aber was wir mit Sicherheit haben, ist ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Es ist eine Unding, dass sich Menschen im unteren Einkommensbereich und in prekären Beschäftigungsverhältnissen keine Wohnung leisten können. Tragisch wird es auch dann, wenn Pflegekräfte ihre Stelle aufgeben müssen, weil sie sich mit ihrem schmalen Verdienst keine Wohnung mehr in Vaihingen leisten können. Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, dass sich mit rein marktwirtschaftlichen Mechanismen dieser Mangel nicht beheben lässt. Mehr privater Wohnungsbau führt eben nicht zu günstigeren Wohnungen. Ganz im Gegenteil, der Markt heizt sich immer weiter auf. Auch in diesem Bereich ist Kreativität, neues Denken und Handeln gefragt.
Antworten hätten wir mit einer Teilnahme an der IBA ́27 mit dem „ReserVoir“ haben können. Neue Baukonzepte, neue Wohnformen, ein neues Verständnis davon, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen. Wie wir uns klimaneutral und unabhängig mit Energie versorgen – ein Thema das durch den Krieg in der Ukraine aktueller denn je ist – und vieles mehr hätte mit beispielhafter Innovation zum Wohle aller gebaut werden können. Ganz zu schweigen von den positiven Nebeneffekten: Der Fokus der internationalen Fachwelt auf unser schönes Vaihingen und die Katalysatorwirkung für die Gartenschau 2029. Diese Chance haben Stadtverwaltung und Gemeinderat vorerst leichtfertig verspielt.
Zu Punkt vier: Wirtschaft und Perspektiven
Die Wirtschaft ist die Basis unseres Wohlstandes, sie braucht Raum und Flächen, die wir als Kommune bereitzustellen haben. Aus unserer Sicht ist es jedoch nicht notwendig, hier neue Gewerbegebiete, wie zum Beispiel Wolfsberg IV, zu erschließen. Wir halten es für sinnvoller, uns auf bereits bestehende Gewerbegebiete und im Flächennutzungsplan vorgesehene Areale zu fokussieren. Im Bereich Fuchsloch I, II und III sind Brachflächen und Erweiterungsflächen verfügbar. Warum es hier, entgegen den Empfehlungen des Gestaltungsbeirats, zu keiner Entwicklung nach IBA ́27-Kriterien kommen konnte, verstehe wer will. Wir tun es nicht!
Für darüber hinausgehenden Bedarf halten wir die Weiterentwicklung des interkommunalen Gewerbegebietes „Perfekter Standort“ für angemessen.
Zu Punkt fünf: Gartenschau und städtebauliche Entwicklung – Ein Blick in die Zukunft
Wir hoffen, dass wir trotz unserer angespannten Haushaltslage das Projekt „Gartenschau 2029“ wie geplant umsetzen können. Als städteplanerisches Instrument bieten Gartenschauen, egal welcher Kategorie, immer die Chance einer guten städtebaulichen Entwicklung. An dieser Stelle unsere große Bitte, den groben Finanzierungsplan für dieses Vorhaben laufend zu präzisieren. Aber unser Fokus darf auch auf andere Gebiete gerichtet werden. Die Wilhelmshöhe mit ihren stattlichen alten Kastanien, der „Bausch ́e Bauernhof“, das alte Bahnhotel mit Kino, all das waren Gebäude, die die Stadt über viele Jahrzehnte prägten und zur Identität beitrugen. Gebäude, aber auch alte Bäume, sind das Gedächtnis unserer Stadt.
In den nächsten Jahren werden weitere Gebiete der Innenstadt entwickelt, die uns, als BbV, sehr am Herzen liegen. Zum Beispiel das Quartier zwischen Graben-und Friedrichstrasse oder das Postareal. Hier muss der Gemeinderat von Anfang an in die Planung mit einbezogen werden, um seiner Planungshoheit auch gerecht werden zu können. Dazu gehört auch, dass Fragen einzelner Gemeinderäte von der Verwaltung ehrlich beantwortet werden oder dass gegebenenfalls Veränderungssperren ausgesprochen werden.
Zu Punkt sechs: Transparenz und Öffentlichkeit
Was nützt uns ein unglaublich kostenintensiver Bürgerbeteiligungsprozess, wie er 2020 gestartet wurde, wenn am Ende doch alles in nichtöffentlichen Sitzungen festgezurrt wird. Man gewinnt den Eindruck, dass bürgerschaftliches Engagement, soweit es sich nicht mit den Plänen der Verwaltung deckt, keinerlei Beachtung und Würdigung erfährt. Deutlich wurde das durch den Fragenkatalog von „Sippel und Buff“ zum Auftakt des Bürgerbeteiligungsprozesses, in dem das Thema IBA ́27 mit keiner Silbe erwähnt wurde. Es wurde nur deshalb thematisiert, weil die Bürgerinnen und Bürger es selbst, trotz der Leitplanken, in den Beteiligungsprozess hineingetragen haben. Der unrühmliche Ausgang des sogenannten „IBA-Bürgerdialoges“ ist uns allen bekannt.
Echte Bürgerbeteiligung sieht anders aus. Dazu gehört auch, es zu ermöglichen, dass Gemeinderatssitzungen per „Livestream“ in die Wohnungen der Bürgerinnen und Bürger kommen. Wir glauben fest daran, das ist die Zukunft und für kommende Generationen eine Selbstverständlichkeit. So wie es für uns heute das Wahlrecht für Frauen ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse!